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Johann Caspar Lavater (1741-1801)

Lavater war eine der umtriebigsten und einflussreichsten Persönlichkeiten des 18. Jahrhunderts. Nach einem Theologiestudium in Zürich wurde er zunächst Diakon und später Pastor in seiner Heimatstadt. Er verfasste über 400 Schriften, darunter neben physiognomischen auch theologische, poetische, pädagogische und politische Werke. Ebenso eindrucksvoll ist der Umfang seiner Korrespondenz, die von seinen Kontakten quer durch Europa zeugt: Ca. 23.000 Briefe von und an Lavater haben sich erhalten.

Lavater und die Physiognomik

Lavater beschäftigte sich spätestens ab 1766 mit Physiognomik. In einem Brief an seinen Freund Johann Georg Zimmermann (1728–1795) beschrieb er seine Versuche der Deutung von Gesichtern. 1771 hielt er einen Vortrag „Von der Physiognomik“ vor der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich, dessen Manuskript er an Zimmermann sandte. Nachdem dieser den Text ohne das Einverständnis des Autors veröffentlicht hatte, verfasste Lavater einen zweiten Beitrag, in dem er ein künftiges größeres Werk über Physiognomik ankündigte.

Lavaters Künstlerkreis

Für seine physiognomischen Studien und für die Illustration seiner Schriften beschäftigte Lavater zahlreiche Künstler*innen. Im Juli 1773 wandte er sich erstmals brieflich an den Radierer und Illustrator Daniel Chodowiecki (1726–1801) in Berlin, um ihn zur Mitarbeit an dem geplanten Werk zur Physiognomik zu bewegen. Daraus entwickelte sich eine überaus fruchtbare Zusammenarbeit. Chodowiecki wurde zum wichtigsten Illustrator der „Physiognomischen Fragmente“. Besonders viele Zeichnungen und Grafiken schufen auch Johann Rudolf Schellenberg (1740–1806) und Johann Heinrich Lips (1758-1817). Das Talent des zuletzt Genannten wurde von Lavater entdeckt und gefördert.

Gezeichnetes Porträt von Johann Heinrich Lips in jungen Jahren
  • Georg Friedrich Schmoll: Johann Heinrich Lips, um 1773, Pinselzeichnung, LAV 244/9836
Gezeichnetes Porträt von Johann Heinrich Lips in jungen Jahren
  • Georg Friedrich Schmoll: Johann Heinrich Lips, um 1773, Pinselzeichnung, LAV 244/9836
Aquarelliertes Selbstbildnis von Johann Rudolf Schellenberg
  • Johann Rudolf Schellenberg: Selbstbildnis, um 1777, Aquarell, LAV 244/9838
Aquarelliertes Selbstbildnis von Johann Rudolf Schellenberg
  • Johann Rudolf Schellenberg: Selbstbildnis, um 1777, Aquarell, LAV 244/9838

Lavaters Rheinreise

Im Sommer 1774 unternahm Lavater eine Reise, die ihn entlang des Rheins bis ins Ruhrgebiet führte. Anlass war ein Kuraufenthalt in Bad Ems. Lavater lernte dort zahlreiche Persönlichkeiten des damaligen Geisteslebens persönlich kennen, darunter Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) und Johann Bernhard Basedow (1724-1790), mit denen er bereits in brieflichem Kontakt stand. Mit diesen unternahm er die Bootsreise am Rhein, die durch Lavaters Reisetagebuch und Goethes Bericht in „Dichtung und Wahrheit“ ausführlich dokumentiert ist. Begleitet wurde Lavater auch von dem Ludwigsburger Maler Georg Friedrich Schmoll (um 1745–1785), der den Ruf eines schnellen, geschickten Porträtzeichners hatte. In den Wiener Beständen der Lavatersammlung befinden sich über zwanzig gezeichnete Profilporträts von Persönlichkeiten, deren Äußeres Schmoll während der Rheinreise festhielt.

Gezeichnetes Porträt von Georg Friedrich Schmoll
  • Georg Friedrich Schmoll: Selbstbildnis, um 1775, Pinselzeichnung, LAV 187/9885
Gezeichnetes Porträt von Georg Friedrich Schmoll
  • Georg Friedrich Schmoll: Selbstbildnis, um 1775, Pinselzeichnung, LAV 187/9885

"Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe"

„Man weiß es schon, daß ich weder Lust, noch Kraft habe, eine Physiognomik, oder irgend eine Art von physiognomischem System zu schreiben; – daß ich nur Fragmente zu liefern gedenke, die unter sich eben keine Verbindung haben, und kein Ganzes ausmachen werden.“ (Johann Caspar Lavater)

Lavaters Hauptwerk zur Physiognomik, das in den Jahren 1775 bis 1778 in vier Großquartbänden erschien, zeichnet sich ebenso durch seine üppige Ausstattung mit vielen hundert Radierungen und Kupferstichen wie durch die Willkür und Planlosigkeit seiner inhaltlichen Komposition aus. Grundsätzlich lassen sich aber theoretische Kapitel, in denen Lavater seine Grundthesen zur Physiognomik darlegt, von solchen Abschnitten abgrenzen, in denen er die auf Tableaus abgebildeten Porträts und Köpfe physiognomisch kommentiert. Zu vielen dieser Abbildungen enthält Lavaters Sammlung Vorzeichnungen und Vorstudien. Über weite Strecken enthalten die „Physiognomischen Fragmente“ auch Texte, die gar nicht von Lavater selbst stammen: Hunderte Zitate und ganze Zitatensammlungen, aber auch fremde Beiträge, deren Autor*innen nicht angegeben sind. Der berühmteste dieser „Ghostwriter“ war Johann Wolfgang von Goethe.

Titelvignette zu Band eins der Physiognomischen Fragmente Johann Caspar Lavaters
  • Daniel Chodowiecki: Vorzeichnung zur Titelvignette in "Physiognomische Fragmente", Band 1, 1774 , Feder- und Pinselzeichnung, LAV 212/7821
Titelvignette zu Band eins der Physiognomischen Fragmente Johann Caspar Lavaters
  • Daniel Chodowiecki: Vorzeichnung zur Titelvignette in "Physiognomische Fragmente", Band 1, 1774 , Feder- und Pinselzeichnung, LAV 212/7821
Titelvignette im Band vier der "Physiognomischen Fragmente"
  • Daniel Chodowiecki: Vorzeichnung zur Titelvignette in "Physiognomische Fragmente", Band 4, 1774, Feder- und Pinselzeichnung, LAV 205/7771
Titelvignette im Band vier der "Physiognomischen Fragmente"
  • Daniel Chodowiecki: Vorzeichnung zur Titelvignette in "Physiognomische Fragmente", Band 4, 1774, Feder- und Pinselzeichnung, LAV 205/7771
  • Caflisch-Schnetzler, Ursula: Johann Caspar Lavater. Jugendjahre. Basel 2023.
  • Caflisch-Schnetzler, Ursula: Johann Caspar Lavater. Beziehungsgenie. Basel 2024.
  • Geßner, Georg: Johann Kaspar Lavaters Lebensbeschreibung. 3 Bde. Winterthur 1802–1803.
  • Graham, John: Lavater’s Essays on Physiognomy. A Study in the History of Ideas. Bern u. a. 1979.
  • Johnson, Mary Lynn: Blake’s Engravings for Lavater’s Physiognomy. Overdue Credit to Chodowiecki, Schellenberg and Lips. Blake. An illustrated Quaterly 38, 2 (2004), S. 52–74.
  • Pestalozzi, Karl / Weigelt Horst (Hg.): Das Antlitz Gottes im Antlitz des Menschen. Zugänge zu Johann Kaspar Lavater. Göttingen 1994.
  • Poch, Patrick: Mit Goethe und Lavater auf Reisen: Die Porträts des mitreisenden Malers Georg Friedrich Schmoll. In: Anne Bohnenkamp (Hg.), Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts 2023, Göttingen 2024.
  • Steinbrucker, Charlotte (Hg.): Daniel Chodowiecki. Briefwechsel zwischen ihm und seinen Zeitgenossen. Band 1: 1736–1786. Berlin 1919.
  • Weigelt, Horst: Johann Kaspar Lavater. Leben, Werk und Wirkung. Göttingen 1991.
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