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Die Sammlung

Der in der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrte Bestand der Lavatersammlung umfasst über 22.000 grafische Blätter, die in 911 historischen Portefeuilles untergebracht waren. Im Zuge der Digitalisierung wurden die Blätter aus konservatorischen Gründen großteils in moderne Archivboxen umgelagert. Die Lavatersammlung besteht ungefähr jeweils zur Hälfte aus Druckgrafiken und aus Handzeichnungen. Sie enthält außerdem eine geringe Zahl kleinformatiger Ölbilder. Die Hälfte des Bestandes stammt aus Lavaters Zeit und umfasst hauptsächlich Handzeichnungen, die er selbst in Auftrag gegeben hat. Unter den zeitgenössischen Blättern finden sich aber auch Abdrucke von Illustrationen aus verschiedenen Ausgaben der „Physiognomischen Fragmente“. Bei den älteren Beständen dominieren die Druckgrafiken. Einige hundert ältere Handzeichnungen liegen verstreut über die gesamte Sammlung, darunter auch Meisterzeichnungen.

Aufbewahrung und Ordnung

Die Lavatersammlung besteht zum Großteil aus Serien zusammengehöriger Blätter. Die heutige Aufbewahrung der Bestände kann nicht ihrer ursprünglichen Ordnung entsprechen, da so gut wie alle dieser Serien durcheinandergeworfen und zerstreut sind. Die historischen Boxen der Lavatersammlung tragen Rückenbeschriftungen, die Klassen zusammengehöriger Werke bezeichnen und somit über ihren Inhalt Aufschluss geben. Typische Titel sind: „Physiognomisches Cabinet“, „Physiognomisches Lexicon“, „Portaits“, „Chodowiecki“, „Allerley“. Alle Boxen tragen an der Oberseite Nummern, mittels derer Lavater anscheinend die Abfolge der einzelnen Klassen regelte. Diese Anordnung wurde allerdings in der Fideikommissbibliothek teilweise aufgehoben, als man die Boxen nach Formaten neu aufstellte und durchnummerierte. Ebenso wurden damals die einzelnen Blätter an ihrer Rückseite mit einem numerus currens versehen.

"Kabinettlicher Stand"

Rahmung und Montierung

Alle Grafiken und Zeichnungen der Sammlung erhielten von Lavater und seinen Gehilf*innen eine Montierung, die in ihrer einfachsten Form darin besteht, dass die Blätter auf Karton aufgezogen sind. Zusätzlich erhielten die meisten Bilder schwarze, goldene, farbige oder ornamentale Umrahmungen. Außerdem wurde auf dem Untersatzkarton – meist unterhalb des Bildes, seltener darüber – ein gerahmtes Feld oder eine gedruckte Kartusche angebracht, die den physiognomischen Kommentar Lavaters zum Bild aufnehmen sollten. Lavater charakterisierte die Montierung und Kommentierung der Blätter damit, dass die Sammlung dadurch in „kabinettlichen Stand“ gebracht worden wäre. Gemeint war damit, dass sie nun erst den angemessenen Zustand eines grafischen Kabinettes erreicht hätte. Da die Kommentare zu den Blättern auf den Tag genau datiert sind und diese Angaben in die Jahre von 1787 bis 1801 fallen, ist anzunehmen, dass die Bearbeitung in dieser Zeit durchgeführt wurde.

Cahiers

Eine besondere Form der Montierung, die hauptsächlich für wertvollere Handzeichnungen gewählt wurde, sind die sogenannten “Cahiers” ("Hefte"). Bei dieser Variante sind die Bilder auf stärkere Kartons aufgezogen und mit Passepartouts versehen. Die gesamte Rahmung ist mit einem farbigen Papier (in weißlichem Grün oder Violett) überzogen, das mit Gelatine oder Eiklar eingestrichen ist. Zusätzlich besitzen die Cahiers einen Deckel im gleichen Design. Er trägt auf der Vorderseite eine Titelvignette und innen die Kartusche mit dem physiognomischen Kommentar, der sich somit im aufgeschlagenen Zustand links gegenüber der Darstellung befindet. Die Sammlung enthält außerdem eine Menge wenig bedeutender Grafiken, die in einfache Papierumschläge geklebt sind.

Männlicher Kopf nach Raffael von Johann Heinrich Lips
  • Johann Heinrich Lips: männlicher Kopf nach Raffael, um 1783-85, Kreidezeichnung, LAV 35/1840
Männlicher Kopf nach Raffael von Johann Heinrich Lips
  • Johann Heinrich Lips: männlicher Kopf nach Raffael, um 1783-85, Kreidezeichnung, LAV 35/1840

Gerahmte Bilder mit Schieber für Kommentar

Die gerahmten Bilder der Lavatersammlung liegen in zwei unterschiedlichen Varianten vor. Die eine Gruppe entspricht in Herstellung und Design den Cahiers, außer, dass die Rahmen keine Deckel besitzen und ihr Kern meist nicht aus Karton, sondern aus Holz besteht. Daneben gibt es aber auch einen geschlossenen Bestand von 105 Pinselzeichnungen in den Boxen 760–777, die ganz einheitlich in schwarzen Holzrahmen hinter Glas montiert sind. Die Zeichnungen sind Entwürfe für die Illustrationen von Lavaters Schrift „Messiade“ und stammen von Chodowiecki, Lips und Schellenberg. Alle schwarz gerahmten Bilder und die meisten der Rahmen vom Cahier-Typus besitzen an der Rückseite einen ausziehbaren Schieber, auf dem der physiognomische Kommentar notiert ist.

Kreuzaufrichtung von Hieronymus Wierx
  • Hieronymus Wierix nach Bernardino Passeri: Kreuzaufrichtung, 1585-1593, Kupferstich, LAV 541/11705
Kreuzaufrichtung von Hieronymus Wierx
Jesus am Kreuz
  • Künstlerkreis Lavater: Jesus am Kreuz, vor 1785, Pinsel- und Federzeichnung, LAV 760/104
Jesus am Kreuz
  • Althaus, Karin (Hg.): Das Antlitz – eine Obsession. Johann Caspar Lavater. Kunsthaus Zürich 2001.
  • Caflisch-Schnetzler, Ursula: „so existiert Etwas, was in der Welt umsonst gesucht wird“. Noli me nolle 2020, S. 21–34.
  • Canestrini, Alessandro: Die Scheibenrisse der Sammlung J. C. Lavater in Wien. Katalogisierung und Klassifizierung, Diplomarbeit Univ. Wien 2000.
  • Canestrini, Alessandro: Ausgewählte Scheibenrisse aus der Sammlung Lavater in Wien. Archives héraldiques suisses 115, 2 (2001), S. 178–186.
  • Castle, Eduard (Hg.): Die Sammlung Lavater: Mappe 1. Lavater und die Seinen. Zürich-Leipzig-Wien 1923.
  • Castle, Eduard (Hg.): Die Sammlung Lavater: Mappe 2. Goethe und sein Kreis. Zürich-Leipzig-Wien 1924.
  • Goritschnig, Ingrid (Hg.): Johann Caspar Lavater: die Signatur der Seele. Physiognomische Studienblätter aus der Österreichischen Nationalbibliothek. Wien-Jena 2001.
  • Mraz, Gerda: Lavaters Kunstkabinett. In: Holzhey, Helmut / Zurbuchen, Simone (Hg.): Alte Löcher – neue Blicke. Zürich im 18. Jahrhundert. Zürich 1997, S. 225–236.
  • Mraz, Gerda, Schögl, Uwe (Hg.): Das Kunstkabinett des Johan Caspar Lavater. Wien 1999.
  • Pestalozzi, Friedrich Otto: Joh. Caspar Lavaters Kunstsammlung. Zürich 1916.
  • Poch, Patrick: Ein Zürcher Kunstschatz in Wien – Johann Caspar Lavaters Physiognomisches Kabinett. Noli me nolle 2020, S. 6–20.
  • Swoboda, Gudrun: Die Sammlung Johann Caspar Lavater in Wien. Herkunft – Struktur – Funktion. In: Mraz / Schögl 1999, S. 74–95.
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