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Porträts berühmter Zeitgenoss*innen
„ da noch überdieß kaum eine Person sich so beobachten läßt, daß man es boebachten heißen könnte, so ist’s mir einleuchtend wahr, daß sich aus einem recht guten Porträt mehr Kenntniß des Menschen schöpfen läßt, als aus der Natur “
(Johann Caspar Lavater)
Das Porträt war für Lavater der Ausgangspunkt sowohl seiner Sammeltätigkeit als auch für seine physiognomischen Studien. Seine Sammlung enthält über 6.000 Porträtgrafiken, die fast ein Drittel des Gesamtbestandes ausmachen und großteils aus der Zeit des 17. Jahrhunderts bis zum Beginn von Lavaters Sammeltätigkeit stammen. Außerdem war er bestrebt, bei jeder ihm sich bietenden Gelegenheit in den Besitz von Bildnissen interessanter Zeitgenoss*innen zu gelangen. Er beauftragte damit laufend für ihn tätige Künstler*innen wie Georg Friedrich Schmoll, Daniel Chodowiecki, Johann Rudolf Schellenberg oder Johann Heinrich Lips. So entstand ein Bestand von mehreren hundert aquarellierten oder gezeichneten, zeitgenössischen Porträts, der zahlreiche Persönlichkeiten des Geisteslebens des letzten Drittels des 18. Jahrhunderts abbildet. Darunter finden sich auch Unikate, das heißt Darstellungen von Personen, von denen keine weiteren Bildnisse bekannt sind.
Schriftstellerinnen
In Lavaters umfangreichen Bekanntenkreis reihen sich auch mehrere Schriftstellerinnen. Sophie von La Roche (1730–1807) lernte er auf seiner Rheinreise im Haus der Familie Stein in Nassau an der Lahn im Juli 1774 bei einer Abendgesellschaft kennen, über die Goethe in seiner Autobiographie „Dichtung und Wahrheit“ berichtet. An diesem Tag fertigte Lavaters Begleiter, der Maler Georg Friedrich Schmoll, das heute noch in der Sammlung erhaltene Bildnis der damals 44-jährigen Schriftstellerin an. Mit Anna Louise Karsch (1722–1791) stand Lavater in brieflichem Kontakt, über eine persönliche Begegnung mit der Dichterin ist allerdings nichts bekannt. Friederike Brun besuchte Lavater im Juni 1791 in Zürich, bei welcher Gelegenheit sie ihm ihr Bildnis übergab.
- Georg Friedrich Schmoll: Sophie von La Roche, 1774, Pinselzeichnung, LAV 657/6143
- Georg Friedrich Schmoll: Sophie von La Roche, 1774, Pinselzeichnung, LAV 657/6143
- Markus Dinkel nach Daniel Chodowiecki: Anna Louise Karsch, nach 1776, Aquarell, LAV 180/7891
- Markus Dinkel nach Daniel Chodowiecki: Anna Louise Karsch, nach 1776, Aquarell, LAV 180/7891
- Unbekannter Künstler: Friederike Brun, 1791, Aquarell, LAV 263/13441
- Unbekannter Künstler: Friederike Brun, 1791, Aquarell, LAV 263/13441
Aufklärer
Lavater pflegte Kontakte zu zahlreichen Persönlichkeiten der deutschen Aufklärung. Bereits seine beiden Lehrer am Collegium Carolinum in Zürich – Johann Jakob Bodmer (1698-1783) und Johann Jakob Breitinger (1701-1776) – gelten als wichtigste Vertreter der Aufklärung in der Schweiz. Johann Georg Sulzer (1720-1779) war ebenfalls ein Schüler von Bodmer und Breitinger, jedoch eine Generation älter als Lavater. Er begleitete diesen 1763 auf einer Reise durch Deutschland und schuf mit seiner „Allgemeinen Theorie der schönen Künste“ (1771-1774) ein Referenzwerk, das Lavater häufig zur Untermauerung seiner physiognomischen Thesen zitierte. Mit Johann Bernhard Basedow (1724–1790) hatte Lavater Kontakt während seiner Rheinreise im Jahr 1774. Bereits davor hatte er intensiv für Basedows pädagogisches „Elementarwerk“ geworben und Gelder für dessen Finanzierung gesammelt.
- Heinrich Pfenninger: Johann Jakob Bodmer, um 1775/80, Bleistiftzeichnung, LAV 182/9843
- Heinrich Pfenninger: Johann Jakob Bodmer, um 1775/80, Bleistiftzeichnung, LAV 182/9843
- Heinrich Pfenninger: Johann Jakob Breitinger, 1775, Bleistiftzeichnung, LAV 185/9865
- Heinrich Pfenninger: Johann Jakob Breitinger, 1775, Bleistiftzeichnung, LAV 185/9865
- Künstlerkreis Lavater: Johann Georg Sulzer, 1775-1797, Federzeichnung, LAV 360/6932
- Künstlerkreis Lavater: Johann Georg Sulzer, 1775-1797, Federzeichnung, LAV 360/6932
Johann Wolfgang von Goethe
(1749-1832)
Lavater lernte Goethe, mit dem er kurz davor brieflich in Kontakt getreten war, auf seiner Rheinreise 1774 persönlich und sogleich auch näher kennen. Darauf folgte eine kurze, aber enge Freundschaft, die vier Jahre später anlässlich eines Aufenthaltes des Dichters in Zürich noch einmal einen Höhepunkt erlebte. Seit Anfang der 1780er Jahre trat jedoch die Entfremdung zwischen den beiden ungleichen Männern zunehmend in den Vordergrund und 1786 brach Goethe den Kontakt zu Lavater endgültig ab. Für diesen aber war der Dichter Inbegriff des Genies. Lavaters Sammlung enthält zahlreiche Goethebildnisse und im dritten Band der „Physiognomischen Fragmente“ widmet er diesem ein eigenes Fragment.
- Johann Daniel Bager: Johann Wolfgang von Goethe, 1772/1773, Ölmalerei, LAV 182/9845
- Johann Daniel Bager: Johann Wolfgang von Goethe, 1772/1773, Ölmalerei, LAV 182/9845
- Künstlerkreis Lavater: Johann Wolfgang von Goethe im Profil, 1777-1779, Kreidezeichnung, LAV 245/11440
- Künstlerkreis Lavater: Johann Wolfgang von Goethe im Profil, 1777-1779, Kreidezeichnung, LAV 245/11440
- Johann Heinrich Lips: Johann Wolfgang von Goethe, 1779, Kreidezeichnung, LAV 78/3172
- Johann Heinrich Lips: Johann Wolfgang von Goethe, 1779, Kreidezeichnung, LAV 78/3172
- Johann Heinrich Lips: Johann Wolfgang von Goethe, 1780-1785, Aquarell, LAV 627/5979
- Johann Heinrich Lips: Johann Wolfgang von Goethe, 1780-1785, Aquarell, LAV 627/5979
Adelige
Lavater unterhielt auch Kontakte zu Adeligen, mit denen er meist einen freundschaftlichen, die Standesgrenzen nivellierenden Umgang pflegte. Markgraf Karl Friedrich von Baden lernte er 1774 in Karlsruhe auf dem Weg nach Frankfurt kennen. Ihm widmete er den ersten Band seiner „Physiognomischen Fragmente“. Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach besuchte Lavater 1779 in Zürich in Begleitung von Goethe. Zwei ausführliche Abschnitte „Ueber das Studium der Physiognomik“ im vierten Band der „Physiognomischen Fragmente“ richten sich an den Grafen Franz Joseph von Thun aus Wien. Mit diesem ebenso wie mit Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach unterhielt Lavater umfangreiche Briefwechsel.
- Althaus, Karin: «Die Physiognomik ist ein neues Auge.» Zum Porträt in der Sammlung Lavater. Dissertation. Heidelberg 2010. archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/1201/
- Fischer, Friedrich II: Basedow und Lavater in ihren persönlichen und literarischen Beziehungen zueinander. Strassburg 1912.
- Funck, Heinrich (Hg.). Goethe und Lavater. Briefe und Tagebücher. Weimar 1901 (Schriften der Goethe-Gesellschaft 16).
- Luginbühl-Weber, Gisela (Hg.): Johann Kaspar Lavater - Charles Bonnet - Jacob Bennelle. Briefe 1768-1790. 2 Bde. Bern 1997.
- Marfutowa, Yulia: Wenn sich das Innere (nicht) im Äußeren spiegelt. Physiognomik- und Pathognomik-Reflexion in Sophie von La Rochs Geschichte des Fräuleins von Sternheim. In: Arburg, Hans-Georg von / Trempb, Benedikt / Zimmermann, Elias (Hg.): Physiognomisches Schreiben. Freiburg i. Br.-Berlin-Wien 2016, S. 87-104.
- Pestalozzi; Karl: Lavaters Hoffnung auf Goethe. In: Pestalozzi, Karl / Weigelt Horst (Hg.): Das Antlitz Gottes im Antlitz des Menschen. Zugänge zu Johann Kaspar Lavater. Göttingen 1994, S. 260–279.
- Poch, Patrick: Mit Goethe und Lavater auf Reisen: Die Porträts des mitreisenden Malers Georg Friedrich Schmoll. In: Anne Bohnenkamp (Hg.), Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts 2023, Göttingen 2024.
- Vogel, Gerd-Helge: Aufklärung in Barth: zur 250. Wiederkehr des helvetisch-deutschen Dialogs zwischen Johann Joachim Spalding, Johann Caspar Lavater, Johann Heinrich Füßli und Felix Heß in Barth in den Jahren 1763-64. Kiel 2014.